Sonntag, 13. November 2011

Das große Krabbeln

Als ich nach Hause komm, sitzt ein hoch konzentrierter und zugleich aufgeregter kleiner Bruder am Küchentisch. Vor ihm auf dem Tisch liegt eine Streichholzschachtel, welche er unentwegt fixiert und beobachtet, als könnte sie jeden Moment wegrennen oder verschwinden. Ich überlege, wie lang er dort schon so sitzen mag, und frage ihn, was es denn mit der Schachtel auf sich hat. Von seinem kleinen Schatz schaut er nur kurz hoch, blinzelt mich durch die Gläser seiner Brille an, und erklärt mir dann stolz: "Da sind zwei Kellerasseln drin!"
Schon der Gedanke an diese Tierchen lässt mich nicht gerade in die Luft springnen. Er jedoch freut sich wie Bolle über seinen "Fang". Er habe in der Schule die Aufgabe bekommen Kellerasseln für den Sachkundeunterricht mitzubringen und habe sich gleich nach der Schule auf die Suche gemacht. Am Sandkasten in der alten Spielzeugtruhe, die nun, da alle Kinder langsam zu alt für das Buddeln sind, langsam verrottet, sei er fündig geworden. Zwei Stück konnte er gleich mit bloßen Händen fangen. Der Gedanke daran, die Krabbeltiere mit den Händen zu fangen löst ein leichtes Eckelgefühl in mir aus, aber ich möchte ihm seinen Fund nicht vermiesen.
Nun sind diese Kellerassel ja sehr klein und flach, was für das Brüderlein zum Problem wurde, denn die Streichholzschachtel entpuppte sich als eher ungünstiges Aufbewahrungsmittel. Die Tierchen versuchten beständig an den beiden Seiten herauszukrabbeln. Deshalb musste dieses Gefängnis also unter ständiger Bewachung stehen, so erklärte er mir.
Nach dem wir die Tiere in eine leere Cremedose umgesiedelt hatten, diese mit einer leicht eingeritzten Klarsichtfolie versiegelten, um Luft und Licht zu sichern, mussten die neuen Haustiere auch mit am Abendbrot teilnehmen.
Am nächsten Morgen musste der kleine Bruder leider einen Todesfall feststellen - eine Assel hatte die Nacht nicht überlebt...sicher die Aufregung oder sie wollte die Schule schwänzen. Am liebsten wäre er gleich noch vor dem Gang zum Schulbus nach draußen gestürmt und hätte eine Neue geholt. Nach reichlich Überredungskunst beließ er es aber dann bei seinem noch lebenden Exemplar, ließ auch das Glas weiterhin versiegelt und ging zur Schule.
Freudig erzählte er dann am Nachmittag, dass gar nicht so viele Klassenkameraden Kellerasseln mitgebracht hatten und er für seine Mühen gelobt wurde. Außerdem war die Aufgabe, die Beinchen der Kellerasseln zu zählen - und da habe er leichtes Spiel gehabt, denn die tote Assel hielt wenigstens still.

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